Harnoncourts Archiv
Bisher konnten Zuhörer, Interessierte, Musiker*innen und Musikwissenschaftler*innen die musikalischen Intentionen Nikolaus Harnoncourts nur in der Momentaufnahme eines Konzerts und an Hand von Aufnahmen erkennen oder mit Hilfe seiner Bücher tiefer in seine Gedankenwelten eindringen. Jedoch drückt sich dessen Fähigkeit zur musikalischen Darstellung von Musik noch deutlicher in seinen schriftlichen Anmerkungen und Annotationen in den Partituren und Aufführungsmaterialien aus, die besondere Einblicke in den künstlerischen Gestaltungswillen und umfassende Hintergrundinformation eröffnen.
Die Familie Harnoncourt hat Nikolaus Harnoncourts künstlerischen Nachlass dem Land Oberösterreich zur Digitalisierung überlassen – mit dem Ziel diesen zu sichern, weltweit zugänglich zu machen und wissenschaftlich aufzuarbeiten. Die Datenbank Nikipedia erfüllt diese Anforderung und wird ständig um weitere Werke und Inhalte ergänzt. Es lohnt sich also immer wieder hineinzuschauen. Entdecken Sie das Universum von Nikolaus Harnoncourt!
Nikolaus und Alice Harnoncourt haben seit dem Beginn ihrer Arbeit 1949 systematisch ein Archiv auf Holzregalen angelegt, welches stetig auf ca 120 Regalmeter angewachsen ist.
Am Beginn mussten die Noten von Manuskripten oder Microfilmen in Bibliotheken und Archiven händisch abgeschrieben und Orchesterstimmen angefertigt werden, nur um sie überhaupt durchspielen und damit bewerten zu können, ob sie ins Konzertprogramm Aufnahme finden werden.
In der Reihe der annotierten Partituren Nikolaus Harnoncourts liegt der Schwerpunkt auf Werken von Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart, Joseph Haydn, Ludwig van Beethoven, Anton Bruckner oder Johann Strauss, aber auch Jacques Offenbach, Giuseppe Verdi, Antonin Dvorak, Johannes Brahms, Robert Schumann, Béla Bartók und natürlich die meisten Barock-Komponisten, von denen er einige überhaupt der Vergessenheit entrissen hat wie Ignaz Biber, Johann Heinrich Schmelzer und Georg Muffat.
Musik und Literatur treten einem aber auch unmittelbar aus dessen Nachlass entgegen. Zahlreiche Musikalien verschiedenster Gattungen, die er nie aufführen sollte, sowie Manuskripte und Notizen seines musikliterarischen Schaffens und Unterrichts sind darin enthalten.
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Das Archiv ist auf eine umfangreiche Sammlung angewachsen, die das gesamte Schaffenswerk dokumentiert:
- Notenmaterial (Partituren, Orchestermaterial, Kopien von Manuskripten und andere Primärquellen);
- (annotierte) Bücher der musikalischen Handbibliothek;
- Sekundärliteratur (Programmhefte, Kritiken, Skizzen, Korrespondenzen, Repertoirelisten, Aufführungslisten, Dirigierzettel, Konzepte, Gedanken, Unterrichtsmaterial, Probenpläne, Vorträge, Interviews, Fotos, Register etc.)
- audio-visuelles Material (alle kommerziellen Aufnahmen aller Formate, Radio- und TV-Beiträge, Interviews, Vorlesungen, nicht-veröffentlichte Konzert- und Probenmitschnitte)
Öffnet man eine von Harnoncourt eingerichtete Partitur eines Werkes, um seine Gedanken und Schwerpunkte nachlesen und erfassen zu können, so wird das Werk mit einer Vielzahl von Material dazu ergänzt: Skizzen, Besetzungsideen, Konzepte, Sekundärliteratur zum Werk oder seinem Komponisten, Manuskripte, Briefe, Primärquellen, welche alle zur Auseinandersetzung Harnoncourts mit dem Werk beitrugen. Dazu gibt es Material, das um die Aufführung des Werkes und deren Rezeption kreist: Presseinterviews, Ankündigung über die Medien, aktuelle Berichterstattung, Tourneepläne, Programmhefte, Aufführungszettel, Probenpläne, Korrespondenzen, Fotos, Kritiken, oftmals einen Mitschnitt der Aufführung für Radio, TV, DVD oder CD.
Die meisten aufgeführten Werke im Archiv sind auf diese Weise vom Interpretationsansatz bis zum Tonträger recht lückenlos dokumentiert und nachvollziehbar.
Die große Zahl der Aufnahmen, Programme, Rezensionen, Auszeichnungen und Preise zeugt nicht nur von der hohen Wertschätzung des Künstlers, die er sich über Jahrzehnte erst erarbeiten musste, sie vermittelt auch ein anschauliches Bild der radikalen Erneuerung der Interpretation Alter Musik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Arbeitsweise
Nikolaus Harnoncourt ging mit außerordentlicher Hingabe und Sorgfalt an die Vorbereitung seiner Aufführungen heran. Dieser Prozess begann mindestens 2-3 Jahre, oft sogar länger, bevor das Publikum diese Ergebnisse zu hören bekam. Hier ein Einblick in seine Arbeitsweise:
Entscheidung über die Aufführungswürdigkeit eines Werkes
Nikolaus Harnoncourt wählte nur Werke aus, die er als Meisterwerke bezeichnen würde, und traf diese Entscheidung auf der Grundlage intensiver Forschung und einem tiefen Verständnis für die Komposition.
Vorbereitung
Er studierte alles, was er über den Komponisten und das Werk finden konnte. Dabei erforschte er historische Quellen, wobei das Autograph, Manuskript oder Faksimile der Komposition als vertrauenswürdige Quelle diente. Er berücksichtigte Einflüsse auf den Komponisten wie Dichtung, Literatur, zeitgenössische Konventionen, aber auch andere Komponisten. Zusätzlich zog er Zeitzeugenberichte, politischen und historischen Kontext sowie Uraufführungsdaten und -bedingungen heran. Diese Forschungsarbeit war mit vielen Reisen verbunden. Dafür war ihm kein Weg zu weit.
Vergleich und Auswahl
Er konsultierte Experten und Forscher, verglich alle aufzufindenden Ausgaben und Quellen, bevorzugte ältere Ausgaben, und war manchmal skeptisch gegenüber dem modernen Urtextbegriff. Er trug farbige Eintragungen in die Partitur ein, um Struktur, Analyse, Quellenhinweise und weitere Details zu markieren. Bei fremdsprachigen Werken verglich er alle verfügbaren Übersetzungen.
Abstimmung mit dem Veranstalter
Gemeinsam mit dem Veranstalter legte Harnoncourt Proben- und Aufführungstermine fest und diskutierte die Orchestergröße, Chorgröße und Solistenbesetzung. Bei Musiktheateraufführungen wurde auch der Regisseur Teil dieser genauen Vorbereitungen.
Umsetzung und Proben
Alice übertrug Nikolaus‘ Eintragungen in die Partitur in Klavierauszüge, Chorauszüge und Orchesterstimmen. Die Materialien wurden an die Beteiligten ausgegeben, mit spezifischen Anweisungen für Einzelne versehen. Die Proben gestaltete er mit lebendiger Motivation durch Bildersprache und erwartete den bedingungslosen Einsatz aller Beteiligten.
Aufführung
Jede Aufführung betrachtete Harnoncourt als eine Art Ur-Aufführung, die aus dem Moment heraus entstand. In der Regel wurden sie aufgezeichnet, sei es als Radio oder TV-Mitschnitt oder CD-Aufnahme.
Archivierung
Das Notenmaterial und alle aufführungsbezogenen Dokumente wurden nach der Aufführung in sein persönliches Archiv aufgenommen. Vieles wurde mehrmals gespielt, manches nur einmal.
Handbibliothek
Hier finden Sie die Auflistung von Harnoncourts Musikbibliothek. Die mit einer L-Signatur versehenen Objekte sind von ihm annotiert und in der Nikipedia-Datenbank zu finden.
Nachlassbestand
Hier finden Sie eine Auflistung des künstlerischen Nachlasses zum derzeitigen Stand im Überblick als pdf. Wir werden noch länger mit Erfassen und Scannen der Objekte beschäftigt sein. Die Handbibliothek ist separat aufgeführt.
Noten S.1-297
Texte S. 298-307
Printmedien S. 308-354
Unterrichtsmaterial S. 355-359
Register S. 360-361
Korrespondenz S.362-373
audiovisuelle kommerzielle Medien S. 374-416
audiovisuelle Medien Radio/TV S. 417-446
audiovisuelle Probenmitschnitte S. 447-448