Kurzbiografie
Nikolaus Harnoncourt (1929–2016) war Musiker, Dirigent, Musikforscher, Freidenker und einer der Pioniere der historischen Aufführungspraxis alter Musik im 20. und 21. Jahrhundert. Sein Leben lang spürte er unermüdlich historische Quellen und Zeitzeugenberichte auf, die die Grundlage seiner „unerhörten“ Interpretationsweise alter Musik von der Renaissance bis zur Wiener Klassik bildeten und die Hörgewohnheiten international revolutionieren sollten. Für seine Arbeit erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen, unter anderem 2005 den renommierten Kyoto-Preis.
Auch über die Wiener Klassik hinaus setzte er sich ausführlich mit Komponisten wie Antonín Dvořák, über Anton Bruckner und Johann Strauß bis zu den Meistern des 20. Jahrhunderts auseinander. Seine ungewöhnliche Probenarbeit, und Herangehensweise, sowohl mit seinem eigenen Concentus Musicus Wien als mit den großen europäischen Symphonieorchestern, bleiben einmalig für alle, die je mit ihm gearbeitet haben.
Langbiografie
Kindheit und Jugend:
1929 geboren in Berlin, 1931 zieht die Familie nach Graz zur Verwandtschaft ins Palais Meran.
1947 Erweckung und Berufung zum Musiker mit der 7. Symphonie von Beethoven, Cello-Studium in Wien ab 1948.
Die 50iger Jahre:
Aufbau und Suche, Proben, Forschen, Instrumente
1953 Hochzeit mit Alice Hoffelner
1953 Gründung des Concentus Musicus Wien, der sich auf 12 „Ur-Concenti“ erweitert.
Zwischen 1954 und 1961 Geburt von 4 Kindern.
Leben in der Josefstadt, Wien.
1952 bis 1969 Anstellung als Cellist bei den Wiener Symphonikern
Prägende Dirigenten:
Herbert von Karajan, Karl Richter, Karl Böhm, Wilhelm Furtwängler
Diese Dirigenten haben Harnoncourt nach eigener Aussage positiv beeinflusst: Arturo Toscanini, René Leibowitz, Pablo Casals, Wilhelm Furtwängler, der junge Herbert von Karajan
1954 Erweckung durch „Orfeo“ von Monteverdi unter der Leitung von Paul Hindemith im Wiener Konzerthaus mit Einsatz von Harnoncourts Instrumenten und Mitspielern
1957 erster Auftritt im Palais Schwarzenberg mit Georg Muffats Armonico Tributo
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Die 60iger
Aufbau und erste Erfolge mit dem Concentus musicus
Bachs Brandenburgische Konzerte im Mozartsaal im Wiener Konzerthaus
Erste Auftritte und Tourneen
Start in den Niederlanden, Deutschland erstmals 1968,
5 USA-Tourneen zwischen 1966 und 1978
1966 erste Platten-Aufnahme im Casino Zögernitz in Wien (Telemann), und dann jahrzehntelang
1967 erstmals Claudio Monteverdis Il ritorno d’Ulisse in Patria für das Schwedische RadioDie 70iger
Schallplattenvertrag, Professur an Mozarteum
1971 Monteverdi: Il ritorno d’Ulisse in Patria, Wiener Festwochen im Theater an der Wien
1972 Start Vertrag mit Telefunken
1972 Aufnahme aller Bach-Kantaten gemeinsam mit Gustav Leonhardt (bis 1989)
1972 Umzug nach St. Georgen i.A.
1972 Debut an der Mailänder Scala mit Il ritorno d’Ulisse in Patria
1973 Professur für Historische Aufführungspraxis am Mozarteum Salzburg (bis 1992)
1973 Debut im Wiener Musikverein, eigener Zyklus mit dem Concentus musicus ab 1978
Zürich: Monteverdi-Zyklus mit Jean-Pierre Ponnelle: Orfeo 1975, Poppea und Ulisse 1977/ 1978
1978 Start der Zusammenarbeit mit dem Arnold Schoenberg Chor mit Händels JephthaDie 80iger
Mozart, erste Bucherscheinung, Styriarte
1980 Debut bei der Mozartwoche Salzburg mit dem Concertgebouw Orkest.
1980 Erasmus Preis gemeinsam mit Gustav Leonhardt.
1980 Beschäftigung mit Mozart-Opern: Zyklus in Zürich mit Jean-Pierre Ponnelle
1982 Erstes Buch Musik als Klangrede erscheint
1983 erstmals Schubert (mit dem Residentie Orkest)
1984 erstmals Johann Strauss (mit dem Concertgebouw Orkest) und Beethoven (mit den Wiener Symphonikern)
1985 Gründung der Styriarte: Matthäus-Passion erstmals live mit dem Concentus musicus Wien
1986 erstmals Beethovens Fidelio
1987 Debut an der Wiener Staatsoper mit Mozarts Idomeneo (Regie: Johannes Schaaf)
1988 ebenda erste szenische Zauberflöte (Regie: Otto Schenk)
1988 erstmals Brahms (mit den Wiener Symphonikern)
1989 Uraufführung von Rendering von Luciano Berio (mit dem Concertgebouw Orkest)Die 90iger
Hinwendung zur Romantik
1991 erstmals Mendelssohn-Bartholdy (mit dem Chamber Orchestra of Europe)
1992 erstmals Schumann (mit dem Chamber Orchestra of Europe)
ab 1992 Salzburger Festspiele.
1993 erstmals von Weber Der Freischütz in Zürich (Regie: Ruth Berghaus)
1994 erstmals Bruckner (mit dem Concertgebouw Orkest)
erstmals Offenbach (mit dem Concertgebouw Orkest)
1995 Festredner bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele
1999 Biographie „Vom Denken des Herzens“ von Monika Mertldie 2000er
Neujahrskonzerte, das 20. Jahrhundert
2001 und 2003 Neujahrskonzerte der Wiener Philharmoniker.
2005 Kyoto-Preis
2006 bis 2014 Rückkehr ans Theater an der Wien
2009 Gershwin: Porgy and Bess bei der Styriarte
Ausstellung in Graz: Being Nikolaus Harnoncourt
2015 letztes Konzert: Beethovens Missa solemnis bei den Salzburger Festspielen.
5. Dezember 2015 Abschied von der Bühne.
5. März 2016 gestorben.
Kurzbiografie
Alice Harnoncourt (1930–2022) war eine österreichische Geigerin und Pionierin der historischen Aufführungspraxis. Als Gründungsmitglied und Konzertmeisterin des Concentus Musicus Wien prägte sie maßgeblich dessen Klang.
Geboren 1930 in Wien, begann sie vorerst mit Klavierunterricht und wechselte dann zur Violine. 1953 heiratete sie Nikolaus Harnoncourt, mit dem sie 1953 den Concentus Musicus Wien gründete und setzte ihre Karriere fort, obwohl das damals für Frauen unüblich war. Bis 1985 war sie dessen Konzertmeisterin und bis 2015 spielte sie erste Geige.
Neben ihrer Rolle als Konzertmeisterin managte sie das Orchester und organisierte Tourneen. Ihr Geigenspiel ist in vielen Aufnahmen verewigt. Alice Harnoncourt erhielt zahlreiche Auszeichnungen und war entscheidend für den Erfolg des Concentus Musicus. Sie starb 2022 und hinterlässt ein bedeutendes Vermächtnis in der historischen Aufführungspraxis und klassischen Musik.
Langbiografie
Alice Hoffelner wurde 1930 in Wien geboren.
Sie war eine österreichische Geigerin, Pionierin der historischen Aufführungspraxis, Mit-Gründerin, sowie erste und langjährige Konzertmeisterin und Solistin des Concentus Musicus Wien. Sie studierte Klavier und Violine bei Ernst Moravec und Gottfried Feist in Wien, bei Jacques Thibaud in Paris und bei Tibor Varga in London mit der Perspektive einer Solokarriere.
Während des Studiums lernte sie 1948 den Cellisten und Studienkollegen Nikolaus Harnoncourt kennen. Im Juni 1953 heirateten sie und gründeten den Concentus musicus Wien im gleichen Jahr. Im Unterricht der Aufführungspraxis bei Josef Mertin (1904–1998) fanden sie Gleichgesinnte, die dieses Thema ebenso brennend interessierte, um es im Rahmen eines eigenen Ensembles gemeinsam professionell weiterzuentwickeln.
Alice hatte sich natürlich darauf eingestellt nach der Hochzeit Hausfrau und Mutter zu werden. Sie war sehr verblüfft als Nikolaus zu ihr sagte: „Nein, nein, du bist die beste Geigerin, die ich kenne, du spielst mit mir weiter.“ In einer Zeit, in der Frauen in den großen Orchestern nicht zugelassen waren, prägte Alice Harnoncourt als Konzertmeisterin die Interpretation und den Klang des Concentus Musicus maßgeblich und war von Beginn an bei fast allen Konzerten und Aufnahmen beteiligt.
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Sie spielte ebenso Pardessus de Viole, Viola und Viola d’Amore. Sie wurde die überhaupt erste Konzertmeisterin eines Orchesters in Österreich, also des Concentus musicus, und war sehr lang überhaupt die einzige Frau im Orchester. In Österreich spielten Frauen damals nur im Wiener Kammerorchester und im Radio-Symphonieorchester, denn im Radio konnte man sie ja nicht sehen! Außer ihrer Tätigkeit als Solistin und Konzertmeisterin wurde Alice dann auch die Agentin und Sekretärin von Nikolaus und des Concentus musicus, dessen Orchestermanagerin, Kopistin und Orchesterwartin, musikalische Assistentin, Finanzchefin, organisierte den Haushalt und wurde Mutter von vier Kindern. Was die Vorbereitung und Durchführung einer dreiwöchigen Tournee durch die USA im Jahr 1966 mit Originalinstrumenten bedeutete, kann man nur als Pioniergeist mit Abenteuerlust zusammenfassen.
Alice hat 1951 ein Jahr in Paris bei Jacques Thibaud Geige studiert und dabei viel Musik von Lully und Rameau in der Nationalbibliothek mit der Hand vom Original-Manuskript abgeschrieben. Kopierer waren gerade erfunden, aber nicht verbreitet. Alles musste händisch übertragen werden. Das ist gelebte barocke Praxis! Es gibt im Archiv noch meterweise das handgeschriebene Material – sauber und eng geschrieben. Notenpapier war teuer.
Ihr Geigenspiel ist in zahlreichen Aufnahmen dokumentiert. Sie spielte unter anderem sämtliche Violinkonzerte von Johann Sebastian Bach, Antonio Vivaldis ‘Le quattro stagioni’, Violinkonzerte von Händel, Streichquartette von Haydn, Werke von Fux, Biber, Schmelzer, Josquin sowie in Opern von Monteverdi und Mozart. Parallel dazu wurde sie immer wieder von Kollegen aus Frankreich, Deutschland oder Holland eingeladen, mit ihnen Kammermusik, wie Trio- oder Soloviolinsonaten aufzuführen und für verschiedene Rundfunkanstalten aufzunehmen. Die Geigerin Ingrid Seifert schrieb über sie: „Ihre exzellente Geigentechnik erlaubte es ihr, sich voll und ganz auf den Ausdruck zu konzentrieren: Wenn sie zum Beispiel bei Solo-Aufnahmen um Wiederholungen bat, dann immer, um ihre musikalischen Ideen zu verbessern, um der Interpretation einen persönlicheren Stempel aufzudrücken, um ihren Standpunkt noch überzeugender rüberzubringen… Was für ein Glück, dass ich als junge Geigerin Zeugin dieser totalen Überzeugung und Begeisterung in ihrem Spiel war. Damals bewunderte ich sie sowohl als überzeugende Solistin als auch als sehr fähige Leiterin des Concentus musicus, die es verstand, sich gegen Nikolaus’ starke Meinungen durchzusetzen. Aber heute schätze ich sie noch mehr, weil ich weiß, wie schwer es gewesen sein muss, vier kleine Kinder zu erziehen und noch die Energie zu haben, geduldig mit unerfahrenen Geigern wie mir zu sein.“
Alice Harnoncourt wurde für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet. So war sie Trägerin des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien, des Großen Goldenen Ehrenzeichens des Landes Steiermark und mit Nikolaus Harnoncourt und dem Concentus Musicus gemeinsam Preisträgerin zahlreicher Auszeichnungen. Wie sie das alles bis 2015 geschafft hat und zwar ohne Computer, Internet, Handy und email bleibt uns für immer ein Rätsel. Dabei hatte sie immer ein gutes Wort, ein ausgeglichenes Gemüt, Geduld und Freude an allem was sie tat. Ohne Alice wäre diese ganze Unternehmung so nicht möglich gewesen. Das konnten sie nur zusammen. Apropos zusammen: in ihrer 63jährigen Ehe waren sie nur 14 Tage voneinander getrennt. Sie hat sich zeitlebens immer in den Schatten ihres Mannes gestellt, aber alle die mit ihnen zu tun hatten, haben immer mit den Harnoncourts (im Plural) gearbeitet.
Alice Harnoncourt starb am 20. Juli 2022 und ist neben Nikolaus in St. Georgen im Attergau begraben. Dort gibt es einen Platz mit seinem Namen. Hier ihren. Dass das Nikolaus Harnoncourt Zentrum am Alice-Harnoncourt-Platz zu Hause ist, verheiratet die beiden noch einmal.
Zeichnungen & Schnitzwerk
Nikolaus Harnoncourt hatte auch eine zeichnerische Begabung, die er in verschiedensten Formaten, vor allem für seine Familie hinterließ. Seine Affinität zu Holz und Schnitzwerk bestand von kleinauf. Hier finden Sie ein paar Eindrücke seines außermusikalischen Schaffens.
Der König- von Harnoncourt geschnitzte Handpuppe
Kasperl - von Harnoncourt geschnitzte Handpuppe
Das Krokodil- von Harnoncourt geschnitzte Handpuppe
Das Krokodil- von Harnoncourt geschnitzte Handpuppe
Die Prinzessin- von Harnoncourt geschnitzte Handpuppe
Der Polizist - von Harnoncourt geschnitzte Handpuppe
Kruzifix - von Nikolaus für Alice geschnitzt.
Kruzifix Corpus - von Nikolaus für Alice geschnitzt.
Kruzifix Kopf - von Nikolaus für Alice geschnitzt.
von Harnoncourt geschnitzte Sessellehne.
von Harnoncourt geschnitzte Sessellehne.
von Harnoncourt geschnitzte Sessellehne.
Harnoncourts Baryton. Eine Kopie von Krenn aus der Sammlung der Musikinstrumente der Gesellschaft der Musikfreunde Wien. Den Kopf schnitzte Harnoncourt selbst.
Harnoncourts Baryton - Detail. Eine Kopie von Krenn aus der Sammlung der Musikinstrumente der Gesellschaft der Musikfreunde Wien. Den Kopf schnitzte Harnoncourt selbst.
Harnoncourts Baryton - Detail. Eine Kopie von Krenn aus der Sammlung der Musikinstrumente der Gesellschaft der Musikfreunde Wien. Den Kopf schnitzte Harnoncourt selbst.
Toi toi toi-Zettel von Nikolaus Harnoncourt für die Beteiligten der Zauberflöte, Salzburg 2012. Harnoncourt zeichnet sich selbst immer mit rotem Kopf mit zwei Haaren.
Hochzeitskarte 2013
Weihnachtskarte 2012
Weihnachtskarte
Neujahrskarte
Neujahrskarte 2015
Mit freundlicher Genehmigung des Archivs des Konzerthauses Wien. Zeichnung von Nikolaus Harnoncourt für die Festschrift des 100jährigen Bestehens des Konzerthauses 2013. Die Zeichnung bezieht sich auf die konzertante Aufführung Monteverdis L'Orfeo 1954 unter der Leitung von Paul Hindemith unter Mitwirkung von Josef Mertin.
Kurt Streit gezeichnet von Nikolaus Harnoncourt - anlässlich der Aufführung von Mozarts Die Entführung aus dem Serail, Theater an der Wien, 1989.
Die Instrumente gehören natürlich zur Familie dazu!
Concentus Musicus
Selbstportrait Nikolaus Harnoncourts
Concentus Musicus
Nikolaus Harnoncourt von Bernd Ertl gezeichnet.
Zeichnung von Raymond Munnecom - Bassposaunist beim Concertgebouw Orkest Amsterdam
Zeichnung von Raymond Munnecom - Bassposaunist beim Concertgebouw Orkest Amsterdam
Nikolaus Harnoncourt als Ritter Blaubart.
Gemälde von Merryl Jaye
Gemälde von Merryl Jaye
Zeichnung von Nikolaus Harnoncourt von Tomek 2009
Der 2. Geiger des Concentus musicus Walter Pfeiffer war ein begabter Zeichner und liebte es seine Kollegen in den Noten zu verewigen. Hier der Hundeliebhaber und Geiger Josef de Sordi.